2. DiP-Statusseminar: 7. bis 8. Oktober 2025, Halle (Saale)
Das Mitteldeutsche Trockengebiet stellt die Landwirtschaft u. a. durch extreme Frühjahrstrockenphasen und Starkregen im Sommer vor wachsende Herausforderungen. Gleichzeitig stellt die Landwirtschaft mit ihren Produkten und Reststoffen die Grundlage für die Bioökonomie – ein zentrales Zukunftsfeld mitten im Strukturwandel durch den Kohleausstieg in Sachsen-Anhalt. Deshalb braucht die Region innovative Lösungen, die in der Praxis ankommen. Genau hier setzt das DiP-Vorhaben an, das in den vergangenen beiden Tagen 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft zum zweiten DiP-Statusseminar in Halle zusammengebracht hat.
Tag 1 des DiP-Statusseminars | 7. Oktober 2025
Wertschöpfungsketten der Sonderkulturen und eine Keynote vom Bauernverband Sachsen-Anhalts
Im Fokus des ersten Tages standen die Wertschöpfungsketten der Sonderkulturen – ein Bereich, in dem Sachsen-Anhalt auf jahrzehntelange Tradition und Expertise aufbauen kann. Die acht Projekte aus Leuchtturm 3 zeigten eindrucksvoll, wie digitale Methoden von der räumlichen Transkriptomik über KI-gestützte Biokatalyse bis zur nachhaltigen Nutzung von Obstresten neue Perspektiven für die Region eröffnen. Besonders deutlich wurde dabei, dass die Digitalisierung nicht Selbstzweck ist, sondern gezielt hilft, wertvolle pflanzliche Rohstoffe effizienter zu nutzen und neue, teils hochpreisige Märkte zu erschließen.
Keynote: Sven Borchert, 1. Vizepräsident des Bauernverbandes Sachsen-Anhalt, Betriebsgemeinschaft GbR Groß Germersleben
Sven Borchert vom Bauernverband Sachsen-Anhalt betonte in seiner Keynote die zentrale Rolle des Praxistransfers und warb für Praxisnetzwerke, die Lernkurven beschleunigen. Seine Botschaft war klar: Die Forschung muss bei den Landwirten ankommen, und neue Kulturen können Teil der Lösung sein, wenn sie durch verbesserte Anbaumethoden und effektiven Pflanzenschutz flankiert werden. Gerade erst hat sich der DiP-Beirat mit hochkarätigen Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft konstituiert, um genau diese Verbindung zwischen Innovation und regionaler Verankerung zu stärken.
Die Bioökonomie eröffnet Sachsen-Anhalt ein breites Chancenspektrum über viele Schlüsselbranchen hinweg, insbesondere wenn regionale Qualität und Herkunftskennzeichnung mit dem Bewusstsein verknüpft werden, dass hier Zukunftsfelder entstehen. Der Austausch beim Get-together im Weinberg Campus Innovation Hub zeigte: DiP entwickelt sich von einem Forschungsverbund zu einem echten Transformationsnetzwerk für die Region.
Abgerundet wurde Tag 1 des 2. DiP-Statusseminars mit fünf parallelen Workshops, in denen die Verbundpartner*innen gemeinsam Transfermöglichkeiten erarbeitet und Dialogformate entwickelt, die Forschung von BegleitDiP vorangebracht und den Forschungsdatenaustausch besprochen haben. Neu und besonders gut angenommen: Ein Praxisworkshop zu Bioinformatik.
Am Abend blieb viel Raum für die Vertiefung der Gespräche und weiterer Kooperationsanbahnungen.
Tag 2 des DiP-Statusseminars | 8. Oktober 2025
Klimaresiliente Anbausysteme und regionale Wertschöpfung als Antwort auf den Strukturwandel
Der zweite Tag des DiP-Statusseminars rückte die drängendsten Herausforderungen der regionalen Landwirtschaft in den Mittelpunkt: Wie können Anbausysteme klimaresilienter werden? Und wie lassen sich landwirtschaftliche Kulturpflanzen zu hochwertigen biobasierten Produkten veredeln, die regionale Wertschöpfung schaffen?
Die vier Projekte aus Leuchtturm 2 zeigten Lösungsansätze: So konnte das Projekt DiP-SuSaKlim mit der Eröffnung seines FoodLabs auf dem Heidecampus und der Entstehung neuer konkreter Kooperationen mit einer Ölmühle und weiteren Erzeugergemeinschaften im Strukturwandelgebiet einen entscheidenden Schritt zur Schließung der Wertschöpfungsketten gehen. Das Feldrain-Projekt DiP-FaiReSyst geht über die kartographische Erfassung hinaus und formuliert systematisch die agronomischen Vorteile von Feldrainen für angrenzende Ackerflächen – parallel wird die rechtlich zulässige ökonomische Nutzung dieser oft brachliegenden Flächen erschlossen und damit deren Aufwertung vorangetrieben. Agroforstsysteme zeigen Potenziale nicht nur für Klimaresilienz, sondern als Rohstoffquelle auch für die Dekarbonisierung der chemischen Industrie (Projekt DiP-SMART Agroforst). Besonders das Projekt DiP-iQ-Hanf demonstrierte, wie Digitalisierung entlang der gesamten Nutzhanfwertschöpfungskette Qualitätssicherung revolutionieren kann.
Leuchtturm 1 fokussierte auf die Digitalisierung klassischer und neuer Kulturpflanzen. Die Bandbreite reichte von formaldehydfreien Bindemitteln aus Lignin über KI-gestützte Züchtungsinformatik bis zur systematischen Erschließung der Erbse als regionale Proteinquelle. Projekte wie ZAZIkI zeigen, wie künstliche Intelligenz zukunftsfähige Anbausysteme für die Zuckerrübe ermöglicht, während DiP-LeFOS aus Reststoffen der Zuckerrübenverarbeitung hochwertige Fructo-Oligosaccharide gewinnt.
Wirtschaftsstruktur im Wandel: Die IHK-Perspektive
(Danny Bieräugel, IHK Halle-Dessau)
Danny Bieräugel von der IHK Halle-Dessau zeichnete ein eindrucksvolles Bild der Strukturwandelregion Sachsen-Anhalt Süd. Die Chemieindustrie ist mit über 15 Mrd. Euro Umsatz das Rückgrat der Region, ergänzt durch eine dynamische Biotechnologie-Branche, die von einem auf 19 Unternehmen gewachsen ist. Die Charts zeigten deutlich: während die Produktion von chemischen und pharmazeutischen Grundstoffen rückläufig ist, steigt jedoch die herstellung von sonstigen – also hoch spezialisierten Erzeugnissen in diesen Bereichen. Hier liegen Chancen.
Ein entscheidender Standortvorteil: 97% der Bevölkerung betrachten Industrie als wichtig für die Region – eine Akzeptanz, die bundesweit ihresgleichen sucht. Gleichzeitig machte Bieräugel deutlich, dass die Region vor massiven Herausforderungen steht: Mit einem Anteil von 38% stromintensiven Branchen gemessen an der Beschäftigtenzahl der gesamten Industrie im Land (Deutschland: 28%) treffen die Energiekosten die Region besonders hart. Der Fachkräftemangel verschärft sich durch die demografische Entwicklung – Sachsen-Anhalt ist mit einem Durchschnittsalter von 48,3 Jahren das älteste Bundesland. Seine Botschaft: Die Bioökonomie muss diese bestehenden industriellen Stärken nutzen und gleichzeitig zur Lösung der drängenden Probleme beitragen.
Streiflicht BioZ – biobasierte Innovationen aus Zeitz und Mitteldeutschland
(Dr. Christina Peters, Pi Innovation Culture GmbH)
Dr. Christina Peters vom WIR!-Bündnis BioZ unterstrich die komplementäre Rolle beider Bündnisse für das mitteldeutsche Innovationsökosystem. BioZ hat sich seit 2022 von 8 auf 21 Landkreise ausgedehnt und vereint über 90 Partner aus Industrie (61), Forschung (23) und Netzwerken (13). Mit insgesamt 15 Mio. Euro Fördermitteln bis 2028 verfolgt BioZ einen konsequent transferorientierten Ansatz: Das Ziel ist die industrielle Umsetzung von mehr als 30 Projekten bis 2035.
Peters stellte konkrete Erfolgsbeispiele vor, die zeigen, wie aus Forschung Wertschöpfung wird. Zudem können neben Projektanbahnungen im Rahmen von BioZ auch Durchführbarkeitsstudien gefördert werden. Der neue Call für Durchführbarkeitsstudien startet Anfang 2026, bis 100.000 Euro Förderung sind möglich.
Darüber hinaus etabliert BioZ vier Dialoggruppen zu Grünen Chemikalien, Pflanzlichen Lebensmitteln, Grünen Werkstoffen und – neu – Wasserkreisläufen, die gezielt Projektpipelines entwickeln und systematisch Unternehmen in die Forschung einbinden. Peters‘ Fazit: „Wir brauchen beide Bündnisse – DiP für die digitale Transformation der pflanzlichen Wertschöpfungsketten, BioZ für die breite industrielle Umsetzung der Bioökonomie. Zusammen schaffen wir ein Innovationsökosystem, das den Strukturwandel aktiv gestaltet.“
Fazit: Von der Forschung zur regionalen Transformation
Zwei erfolgreiche Tages des Austauschs liegen hinter uns. Das zweite DiP-Statusseminar hat eindrucksvoll gezeigt, wie vielfältig die Ansätze sind, mit denen der DiP-Verbund zur bioökonomischen Transformation der Region beiträgt. Von klimaangepassten Kulturen über die Digitalisierung klassischer Fruchtarten bis zur Erschließung neuer Wertschöpfungsketten entstehen konkrete Lösungen für die Herausforderungen des Strukturwandels. Die enge Vernetzung mit regionalen Akteuren aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung sorgt dafür, dass diese Innovationen nicht im Labor bleiben, sondern den Weg in die Praxis finden.
Wir möchten uns ausdrücklich bei allen Beitragenden und unseren Gästen von Bund, Land und aus den Landkreisen sowie der Stadt Halle, wie auch teilnehmenden Partnerinstitutionen bedanken!